Ausgehend von der Vorstellung, dass Alles mit Allem in Verbindung steht, habe ich mich schon früh mit dem Thema der Verwandlung beschäftigt. Es zieht sich als roter Faden durch meine Arbeiten, von den frühen Zeichnungen, bis hin zu den heutigen Stabplastiken.
In den Zeichnungen tauchen häufig Torsi-, Schädel- und Kokonformen in unterschiedlichen Mutationen zwischen Mensch, Tier, Fetisch und Objekt auf. Der Kokon der Insekten ist in meinen Arbeiten eine Metapher, für eine Hülle, ein Schutz, eine Verpackung, die vorübergehend die äußere Beweglichkeit verhindert, bei der aber, unter dem äußeren Zustand der Unbeweglichkeit, eine innere Veränderung und Verwandlung stattfindet.
Dieses Thema meiner Zeichnungen hat sich später zu plastischen Formen verdichtet. Es hat sich zu Körperschilden, menschengroßen Kokons, Schildtorsi, Speeren und Hörnern gewandelt. Die zunächst geschlossenen, weichen, gerundeten Formen erhielten später immer häufiger Risse, scharfe Kanten, Nähte und Schnitte. Die Arbeiten veränderten sich, wurden sparsamer, ihre Formen klarer und strenger.
Die scharfen Kanten, Knicke und Grate begannen mich zunehmend zu faszinieren. Es störte mich, daß die geschlossene Plastik, durch ihr Volumen bedingt, ein gleichzeitiges Wahrnehmen der verdeckten Teile ihrer Form ausschloss. Um diesen Durchblick zu ermöglichen, begann ich, das »Fleisch« wegzulassen. Ich ließ Kanten, Knicke und Überschneidungen ihr Eigenleben führen.
Es entstanden meine ersten »Stabplastiken«, Raumobjekte aus Holz- oder Metallstäben. Diese »durchsichtigen« Plastiken besitzen eine optische Verwandlungsfähigkeit und Leichtigkeit. Wie mit einer Linie gezogen, umschreiben die Stäbe sich überlagernde und durchdringende Raum- und Flächenformen. Durch einen Wechsel der Perspektive verschieben sich diese zu immer neuen Formverbindungen. Die je nach Lichteinfall entstehenden Schatten bilden auf den Wandflächen wiederum neue Formen, die ihrerseits wieder mit der realen Plastik korrespondieren. Dadurch befinden sich die Arbeiten, trotz ihrer statischen Form, in ständiger Bewegung und Verwandlung.
Meine Stabplastiken spielen mit diesen optischen Irritationen, die der Betrachter durch seine wechselnden Standpunkte und Blickwinkel selber erzeugt, sowie mit der Verwirrung, die die scheinbar vertraute Ordnung in Frage stellt.
Damit greife ich wieder wesentliche Elemente aus meinen frühen Zeichnungen auf: Den Schwebezustand der Wahrnehmung, indifferente Räumlichkeit, Verunsicherung über vorne und hinten, nah und fern, leicht und schwer. Das Thema der Verwandlung ist auch heute präsent.
Auf den ersten Blick scheint formal eine oberflächliche Ähnlichkeit mit konstruktiven Arbeiten zu bestehen, aber mein Ansatz und meine Vorgehensweisen, sowie die Ergebnisse, sind anderer Art.
Was bei mir konstruiert aussehen mag, entsteht spielerisch und spontan während der Arbeit. Es gibt keine Skizzen, noch sind die Arbeiten aus vorher berechneten geometrischen Formen aufgebaut.
Alles ist möglich,
nichts ist sicher,
es lebe das Chaos!